installation shots | press release

August 11 - September 29, 2012
FREMDE WESEN
Solo exhibition
Paintings by Andrea Lehnert
pdf-invitation | pdf-exposé

Andrea Lehnert, born in Dortmund/DE in 1974, studied painting at the Düsseldorf Academy of Fine Arts. In 2002, professor Siegfried Anzinger awarded her the title of Meisterschülerin.

Who are these two women we approach so closely in an intimate moment? Two ladies in evening dress, perhaps, who carefully inspect their appearances in a mirror? The woman in the foreground places a hand on her hip, which gives her posture a gentle swaying character. Only this gesture really shows off her elegance to best advantage. The left arm is covered, perhaps by a bright scarf draped across her shoulder, or by a long glove in matching colour. The second figure in the background is only suggested. A single detail hints that the yellow-violet colour field stands for a person: the folds of the skirt, which ripple across the floor. Is all of this pure fantasy? Are these ladies perhaps not standing before an imaginary mirror, but instead shopping in everyday clothes: long skirts and veiling scarves? Decisive here is the way this artist interprets her motif, and the way the viewer – despite decomposition and abstraction – discerns something there: the familiar or the strange?

In contrast to the paintings of women who the viewer watches unnoticed or from a distant point of view, the second group of paintings stages a dialogue of sorts. Peering out of the paintings, the horses fix their gazes on those of the viewer. What makes them seem so alive, so animate? What forms their characters as they look out – so self-sufficient, shy, and yet curious – into our world? What is the secret of these paintings? It cannot lie in verisimilitude, since they do not describe, but only insinuate, seem to fray at the edges, at times even to dissolve into coloured brushstrokes. This painterly openness conceals nothing; it displays the entire process of its formation – from the old-masterly priming all the way to the almost painful candour and transparency of the paint application. On the compositional level, however, that which seems so searching and spontaneous reveals an extraordinary precision. Nothing about these horses seems merely incidental; they dominate the space like staged sculptures. It is colour, which continually takes the viewer by surprise and confounds expectations. The colour shapes the space, separating light from shade and allowing – for a suspended moment – a view into a strange world. Or is it actually the viewer, in the end, who is under inspection?

Uniting all of the paintings in the exhibition is the erratic guise of their figures (lat. erraticus: wandering). They neither narrate nor invent; they are windows onto the foreign.

Andrea Lehnert, geb. 1974 in Dortmund, studierte Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf. Im Jahr 2002 war sie Meisterschülerin von Professor Siegfried Anzinger.

Wer sind diese beiden Frauen, denen wir uns in einem intimen Moment nähern? Es könnten zwei Damen in Abendgarderobe sein, die ihr Äußeres prüfend im Spiegel betrachten. Die vordere der beiden legt eine Hand auf die Hüfte und gibt ihrer Haltung einen sanften Schwung. Die Eleganz ihrer Erscheinung kommt dadurch erst richtig zur Geltung. Der linke Arm könnte bedeckt sein durch das helle Schultertuch oder durch einen langen Handschuh in passender Farbe. Die zweite Figur steht etwas zurückgesetzt; sie ist nur angedeutet. Der einzige Hinweis, dass die gelb-lila Farbfläche in eine Person darstellt, sind die sich über dem Boden kräuselnden Rockfalten. Vielleicht ist das alles nur Phantasie? Vielleicht stehen die Damen gar nicht in Abendrobe vor einem imaginären Spiegel, sondern tragen lange Röcke und verhüllende Tücher als Alltagskleidung und erledigen gerade ihre Einkäufe? Entscheidend ist, wie die Malerin ihr Motiv interpretiert und was der Betrachter trotz Auflösung und Abstraktion darin wieder findet: Das Vertraute oder das Fremde?

Im Gegensatz zu den Frauen, die der Betrachter ungesehen oder aus der Distanz beobachtet, findet bei der zweiten Werkgruppe, den Pferden, eine Zwiesprache statt. Die Pferde schauen aus dem Bild heraus und fixieren das Auge des Betrachters. Was ist es, das sie so lebendig erscheinen lässt? Was formt ihren Charakter, wenn sie so selbstgenügsam, scheu und doch neugierig in die Außenwelt blicken? Was ist das Geheimnis dieser Malerei? In der Realitätsnähe kann es nicht liegen, denn diese Malerei formuliert nicht aus, sie deutet nur an, scheint an den Rändern auszufransen und wird gar zum farbigen Strich. Diese malerische Offenheit verbirgt nichts, sie zeigt den ganzen Prozess der Entstehung von der altmeisterlichen Grundierung bis zur fast schmerzhaften Ehrlichkeit und Transparenz des Farbauftrags. Was aber so suchend und spontan anmutet, offenbart auf kompositorischer Ebene eine außergewöhnliche Präzision. Nichts an diesen Pferden wirkt beiläufig, sie beherrschen den Raum wie in Szene gesetzte Skulpturen. Es ist die Farbe, die den Betrachter immer wieder aufs Neue überrascht und seine Erwartungen durcheinander bringt. Die Farbe bildet den Raum, sie trennt das Licht vom Schatten und erlaubt für einen angehaltenen Moment einen Blick in eine fremde Welt. Oder ist es der Betrachter, der am Ende geprüft wird?

Was die in der Ausstellung gezeigten Bilder verbindet, ist die erratische Erscheinung ihrer Figuren (lat. erraticus = umherirrend). Sie erzählen nicht, sie erfinden nicht, sie sind Fenster ins Fremde.